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Auf den Spuren von Xhaka und Rodriguez lebt der Schweizer WM-Traum
Das Schweizer U-17-Nationalteam bestreitet erstmals seit dem sensationellen Titelgewinn 2009 an eine WM. Das Team von Luigi Pisino reist mit Ambitionen und dem Traum vom neuerlichen Coup nach Katar.
Es dauert nur wenige Sekunden, bis Luigi Pisino die Frage gestellt bekommt, die allen Zugeschalteten wohl am meisten unter den Fingernägeln brennt. Der Schweizer Nationaltrainer der U-17-Nationalmannschaft der Männer sitzt am Dienstagnachmittag in einem Hotel in Dubai. Dort bereitet sich sein Team noch bis zum 31. Oktober auf die WM vor, die vom 3. bis 27. November auf der anderen Seite des Persischen Golfs in Katar ausgetragen wird.
Die beiden Stichworte "WM" und "U-17" lösen in der Fussballschweiz nach wie vor grosse Gefühle aus, denn schliesslich gelang der Auswahl 2009 etwas, das noch nie einem Schweizer Fussball-Nationalteam auf irgendeiner Stufe gelungen war: In Nigeria krönten sich die jungen Granit Xhaka, Ricardo Rodriguez und Haris Seferovic mit ihren Teamkollegen zu Weltmeistern.
Und so wird Pisino eben gleich als Erstes gefragt: "Ist so ein Coup wie 2009 auch für diese Generation möglich?" Der polyglotte Waadtländer, der mühelos in Deutsch, Französisch und Italienisch Auskunft gibt, hat 18 Feldspieler und 3 Torhüter für dieses zweite WM-Abenteuer auf dieser Stufe aufgeboten. Alle wurden 2008 geboren, bekamen die Schweizer Sternstunde in Nigeria also allerhöchstens als Säugling mit.
Mit einer Fernsehreportage und Erzählungen von Direktbeteiligten seien seine Spieler aber über dieses Stück Schweizer Fussballgeschichte aufdatiert worden, sagt Pisino. Und fügt vielsagend an: "Es ist wichtig, einen Traum zu haben."
Elfenbeinküste, Südkorea, Mexiko
Dass dieser Traum eines neuerlichen WM-Titels überhaupt im Bereich des Möglichen liegt, hat die SFV-Delegation ihren Auftritten im März zu verdanken. Damals fand in Baden ein EM-Qualifikationsturnier statt. Zwar verpassten die Schweizer im Direktduell mit Tschechien einen Platz am Kontinentalturnier, das in diesem Sommer in Albanien ausgetragen wurde. Dank Siegen gegen Schweden und die Türkei sicherte sich Pisinos Team aber als einer der besten vier Gruppenzweiten das Ticket nach Katar. Das Turnier findet nicht wie die Weltmeisterschaft der Männer 2022 in den grossen Stadien im ganzen Land verteilt statt, sondern konzentriert auf acht Spielfeldern im modernen Aspire Zone Komplex in Al Rayyan, rund neun Kilometer ausserhalb des Zentrums der Hauptstadt Doha.
Dass an diesem globalen Grossereignis erstmals 48 Teams teilnehmen können anstatt wie bisher 24, könnte von kritischen Stimmen ebenso als sportliche Verwässerung gedeutet werden wie die Tatsache, dass der Weltverband FIFA das Turnier fortan im Jahresrhythmus austragen lässt. Pisino ist es deshalb wichtig, die Leistung seiner Mannschaft in Kontext zu setzen. Der Schweizer Nationaltrainer erwähnt, dass mit Spanien, der Niederlande und Dänemark auch grössere Fussballnationen aus Europa die Qualifikation verpasst haben. "Man muss sich bewusst sein, dass es schwierig war, sich für dieses Turnier zu qualifizieren", sagt Pisino, der sich freut, dass seine Spieler sich nun mit den besten Teams der Welt messen können.
In der Gruppe F trifft die Schweiz am kommenden Dienstag zuerst auf die Elfenbeinküste, drei Tage später folgt das Duell mit Südkorea, ehe wiederum drei Tage später mit der Partie gegen Mexiko die Gruppenphase abgeschlossen wird. Pisino sagt, sein Team habe sehr typische Gegner für die jeweiligen Kontinente zugelost bekommen. Will heissen: Den Coach beeindruckt bei den Afrikanern vorab die individuelle Qualität der Einzelspieler, während sich die Asiaten durch ihre Disziplin und Schnelligkeit auszeichneten. Die Zentralamerikaner wiederum brächten grosse Spielfreude mit. Pisino sagt: "Es wird sehr interessant sein, gegen diese verschiedenen Profile zu spielen."
Polyvalenz ist gefragt
Der 40-Jährige, der Anfang Juli die Verantwortung für die Schweizer U-17 übernommen hat, setzt sich die Qualifikation für die K.o-Phase als erstes Zwischenziel. Die ersten zwei Teams der zwölf Vierergruppen holen sich einen Platz in den Sechzehntelfinals ebenso wie die besten acht Drittplatzierten. Pisino sieht in der Schweizer Gruppe alle Teams "auf Augenhöhe". Entsprechend wichtig werde es sein, gut ins Turnier zu starten. Die Akklimatisierung an die hohen Temperaturen um 35 Grad und die hohe Luftfeuchtigkeit geniesse dabei einen ebenso hohen Stellenwert wie die spielerische und taktische Vorbereitung.
Sowieso will Pisino flexibel bleiben. Eine Eigenschaft, die er auch von seinen Spielern verlangt. Da das Kader lediglich 18 Feldspieler umfasst, habe er nicht jede Position doppelt besetzen können, sagt der Romand. Ergo sei bei der Zusammenstellung des Aufgebots Polyvalenz ein zentrales Kriterium gewesen. Spieler, die auf unterschiedlichen Positionen eingesetzt werden können, standen in der Gunst um ein WM-Ticket höher im Kurs. "Wir wollen mit unserer Mentalität und einem guten Teamspirit erfolgreich sein", sagt Pisino. Dieser Fokus aufs Kollektiv sei für ein gelungenes Turnier zentral.
Entsprechend lässt sich der Trainer auch nicht davon beunruhigen, dass mit Captain Nelson Savonnier, der im Nachwuchs von Sion aktiv ist, und dem in Parma engagierten Gabriel Morisoli zwei eigentliche Teamstützen in der Abwehr verletzt fehlen. "Wir müssen demütig sein, aber wir haben unsere Ambitionen", sagt Pisino. Er hält kurz inne und fügt dann an: "Wir sind auf einer Mission.” Er spricht es nicht aus, aber zwischen den Zeilen ist es klar: Es ist die Mission, die wie vor 16 Jahren im grossen Triumph enden soll.
















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