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Cereda und Duca dürfen nicht mehr für ihren Herzensklub kämpfen
Luca Cereda ist nicht mehr Trainer in Ambri. Nachdem Präsident Lombardi Gespräche mit anderen führte, legen er und Paolo Duca das Amt nieder. Ein paar Tage vorher war der 44-Jährige voller Tatendrang.
Das Telefon klingelt nur kurz. Dann geht Luca Cereda ran, erkundigt sich nach dem Befinden und bestätigt, dass er gut Zeit habe für ein Gespräch. Es ist Freitagnachmittag, und der 44-Jährige redet über den schwierigen Saisonstart von Ambri-Piotta. Noch nie, seit er im April 2017 zum Cheftrainer ernannt wurde, hatten die Leventiner nach zehn Spielen so wenig Punkte. Und doch ist in jedem Wort des Ambri-Trainers spürbar, dass er an eine Wende glaubt, dass er alles dafür geben möchte, dass der HCAP wieder in die Erfolgsspur findet. Und dass für ihn dieses Amt nicht einfach ein Job ist, sondern eine Herzensangelegenheit.
Luca Cereda, was bedeutet es für Sie, Ambri-Trainer zu sein?
"Es ist eine grosse Ehre. Es ist nun meine 29. Saison in diesem Verein, zuerst im Nachwuchs, dann als Spieler der ersten Mannschaft, dann als Coach im Nachwuchs und als Trainer der ersten Mannschaft. Ich bin sehr stolz, diese Farben zu repräsentieren und werde immer alles dafür geben, dass die Spieler und der Klub erfolgreich sind."
Hätten Sie, als Sie im April 2017 zum Coach ernannt wurden, gedacht, dass Sie so lange im Amt bleiben würden?
"Nein. Ich nehme mir immer vor, mein Bestes zu geben und die Saison zu überstehen. Ich plane nicht lange im Voraus oder träume. Sonst verliere ich mich. Ich versuche, Tag für Tag und Woche für Woche zu leben. Aber es ist auch klar: Je länger ich hier Trainer bin, desto näher ist das Ende."
Das Gespräch kommt auf Arno Del Curto. Der Bündner war 22 Jahre lang an der Bande des HC Davos. Cereda hat grossen Respekt vor Del Curto. In seiner Trainerausbildung hat er ein paar Mal in Davos hospitiert. "Arno ist ein grosses Vorbild für mich. Er hat Davos zu einem der besten Klubs in der Schweiz gemacht. Aber so lange in einem Verein zu bleiben, ist extrem schwierig."
Und doch: Wenn man es einem hätte zutrauen wollen, eine Ära in einem Klub so zu prägen wie Del Curto in Davos, dann Cereda. Weil er und Sportchef Paolo Duca es immer wieder geschafft haben, schwierige Momente zu meistern. Und weil sie immer wieder die Energie fanden, ihr Bestes für dieses Ambri zu geben.
2023 dachten Sie und ihr Jugendfreund Paolo Duca intensiv über einen Rücktritt nach. Was hat Sie damals zum Weitermachen bewogen?
"Ambri-Trainer zu sein, ist eine grosse Ehre. Wir dürfen in der Heimat etwas so Grosses vertreten. Aber gleichzeitig ist es auch eine grosse Last. Ende Saison sind wir jeweils leer und müde. Das war auch damals so. Aber mit etwas Abstand spürten wir, dass es uns immer noch wichtig ist, zu kämpfen und das Beste herauszuholen."
Dass ein Trainer und ein Sportchef so lange in einem Verein sind, ist aussergewöhnlich. Inwiefern hilft diese Kontinuität?
"Wir probieren, Schritt für Schritt etwas aufzubauen. Das Problem ist, dass uns ab und zu wichtige Teile verlassen. Dann nehmen wir ein paar Schritte zurück und bauen uns als Mannschaft wieder auf. Kontinuität hilft extrem, weil die Spieler wissen, wie hier gearbeitet wird, wie ich als Trainer ticke, was ich will und was nicht."
Andernorts ist Kontinuität scheinbar weniger wichtig.
"Wir spielen in einer Liga, in der nicht alle Teams die gleichen Möglichkeiten haben. Und es bleibt ein resultatorientiertes Business..."
Vor dem Derby-Sieg gegen Lugano hatte Ihr Team achtmal in Folge verloren. Ist denn Ambri weniger resultatorientiert?
"Die Resultate sind ein wichtiger Teil unserer Analyse, aber sie können und dürfen nicht alles sein. Das, was neben dem Eis passiert, muss auch Teil der Beurteilung eines Trainers oder Sportchefs sein. In den letzten Wochen haben wir gewusst, dass wir einen schwierigen Moment erleben."
Haben Sie in den letzten Wochen nie um Ihren Job gefürchtet?
"Wenn du achtmal in Serie verlierst, ist klar, dass auch über den Trainer diskutiert wird. Das ist normal und auch gut so. Aber wir sind alle tagtäglich im Austausch. Insofern fühlt es sich jetzt nicht anders an als vor einem oder zwei Jahren. Ich versuche, mich auf das zu konzentrieren, was ich kontrollieren kann. Aber ich weiss, dass die mediale Präsenz im Tessin sehr gross ist und dass es Diskussionen um mich gibt. Das ist klar und auch richtig so."
Sie und Paolo Duca sind nicht nur Trainer und Sportchef, sondern auch grosse Identifikationsfiguren. Weshalb setzen nicht mehr Klubs auf Identifikation an der Bande? Weshalb sind jetzt nicht Ivo Rüthemann oder Renato Tosio Trainer beim SCB?
"Paolo und ich haben keine Magie gemacht. Wir sind einfach zu dem zurückgegangen, was Ambri immer gemacht hat: als Ausbildungsklub jungen Spielern schneller eine wichtige Rolle geben. Diese Strategie braucht ein bisschen Mut, Willen und den richtigen Zeitpunkt. Vor zehn Jahren redete niemand über Schweizer Trainer. Jetzt gibt es in der National League schon ein paar. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Wer weiss, vielleicht finden früher oder später andere ehemalige Spieler die Lust und die Kraft, diesen Schritt zu machen."
Könnten Sie sich eigentlich vorstellen, einen anderen Klub als Ambri zu coachen? Die Identifikation wird für Sie nirgends so hoch sein.
"Vorstellen schon, aber ich habe keinen Traum, in dem ich sage, diesen oder jenen Klub möchte ich einmal trainieren. Aber eben: Je länger ich in Ambri bin, desto näher kommt das Ende. Das ist mir sehr bewusst. Und ich weiss, wenn ich weiter Trainer sein will, werde ich irgendwann über den Gotthard gehen müssen und eine andere Mannschaft trainieren. Das haben wir in der Familie auch schon diskutiert, und ich bin offen dafür."
Es ist Mittwochvormittag. Im Ristorante 1937 in der Gottardo Arena herrscht ein Gedränge. Die Tessiner Journalistenschar hat sich versammelt, weil der HCAP zu einer aussergewöhnlichen Pressekonferenz geladen hat. Duca und Cereda flankieren Präsident Filippo Lombardi. Doch die Eintracht, die dieses Trio in den letzten Jahren ausgestrahlt hat, ist verflogen. Alle drei legen ihr Amt nieder, wobei Lombardi betont, dass niemand entlassen worden sei.
Noch am Dienstag tauchte ein Zitat des Politikers auf, dass Cereda auch 20 Partien nacheinander verlieren könne und nicht um seinen Job fürchten müsse. Und doch schaute sich Lombardi in den letzten Tagen nach Alternativen um. Mit dem früheren Fribourg-Trainer und Sportchef Christian Dubé sollen schon Gespräche stattgefunden haben. Und als Cereda und Duca davon erfuhren, legten sie ihr Amt nieder.
Auf dem Podium fällt Duca dem Presidente mehrmals ins Wort, sagt: "Stopp, das muss ich jetzt schon klar sagen. Luca und ich hätten gerne weitergemacht. Aber ihr habt uns die Beine abgeschnitten. Wir erhielten einen Dolchstoss in den Rücken."
Cereda wählt daneben weniger martialisches Vokabular, bedankt sich als erstes dafür, dass er 2017 die Chance erhalten hat, Trainer der ersten Mannschaft von Ambri-Piotta zu werden. Sein Blick schweift traurig durch den Raum. "Ich bin stolz auf diese intensiven Jahre, auf die Qualifikation für die Champions League, den Sieg beim Spengler Cup. Ich bin dankbar für die vielen Emotionen. Und ich hoffe, dass die Mannschaft nun am Freitag und am Samstag gewinnt.”
Gegen Ende des Telefonats am Freitag sagte Cereda: "Es ist unser grösstes Ziel, dass Ambri in einem guten Zustand ist, wenn wir gehen - wenn möglich besser -, als wenn wir angefangen haben. Das zu erreichen, motiviert uns immer wieder.” Diese Möglichkeit wurde ihm und Duca am Mittwoch genommen. Bevor Cereda zum Ausgang der Gottardo Arena läuft, sagt er: "Ich bin nicht enttäuscht darüber, dass unsere Reise jetzt fertig ist, sondern vor allem, wie sie geendet hat."
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