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Keystone-SDA | Samstag, 27. September 2025

Gehen oder bleiben - das Dilemma der Einwohner von Brienz

Sollen sie das evakuierte Brienz GR für immer verlassen oder weiter auf eine Rückkehr hoffen? Die Frage quält die Bewohner des bergsturzgefährdeten Bündner Dorfes seit Monaten. Ein Porträt von Menschen, die sich für zwei unterschiedliche Wege entschieden haben.

22. September 2025. An diesem Tag schickten Franziska und René Bötschi den Brief an die Behörden ab mit dem Antrag für eine präventive Umsiedlung. "Am Morgen war ich etwas traurig, aber dann war es wie das Verschicken einer Geburtstagskarte", erzählt Franziska Bötschi, die am Holztisch in ihrer temporären Wohnung in Tinizong sitzt.

Sie und ihr Mann, beide im Ruhestand, wohnen seit Mitte Mai hier. An diesem Tisch haben die beiden die Entscheidung getroffen. "Wir haben lange darüber gesprochen. Ich spüre noch immer eine gewisse Last auf meinem Herzen, aber jetzt ist es abgeschlossen."

Die Entscheidung, das Dorf, in dem sie geboren und aufgewachsen ist, zu verlassen, habe lange gedauert, gibt die 72-jährige Bötschi zu. "Unser erster Gedanke war: Wir gehen nicht weg, weil das Haus keinen Schaden hat," Sie und ihr Mann haben es 1994 gebaut. Damals wohnte das Paar noch in Kloten. Ihre Vision war es, ihren Ruhestand in Ruhe im Haus zu verbringen, das dem "Rutsch" am nächsten liegt, dem Hang, der das Dorf bedroht. "Wir wissen nicht, was die Zukunft bringen wird, deshalb haben wir beschlossen, das Haus zu verlassen."

"Der falsche Zeitpunkt, Brienz aufzugeben"

Heute bewegt sich der Erdrutsch zwar weiterhin, allerdings langsamer als zuvor. Laut einem Bulletin der Gemeinde Albula/Alvra von Mitte September rutscht das Dorf mittlerweile mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 60 Zentimetern pro Jahr ab. Im November letzten Jahres, als die 80 Einwohner zum zweiten Mal evakuiert wurden, bewegte sich Brienz mit noch 2,3 Meter pro Jahr Richtung Tal.

Die deutliche Verlangsamung ist auf den entstehenden Entwässerungsstollen zurückzuführen, der das Wasser aus dem Untergrund ableitet. Die Bohrungen begannen vor knapp einem Jahr, 45 Prozent der Arbeiten sind mittlerweile abgeschlossen.

"Seit Beginn der Arbeiten am Entwässerungsstollen war für uns klar, dass die erhoffte Wirkung die Rettung von Brienz/Brinzauls sein kann", erzählt Georgin Bonifazi. Der Bauer konnte die Folgen des Tunnels mit eigenen Augen sehen: Die durch die Rutschung verursachten Furchen und Löcher auf seinen Weiden, haben sich seit dem Stollenbau nicht mehr vergrössert.

"Der Erfolg des Entwässerungsstollens ist nun offensichtlich. Deshalb ist meiner Meinung nach der 30. September, der falsche Zeitpunkt, um über eine definitive Aufgabe unserer Heimat zu entscheiden", sagt der Landwirt. An diesem Tag läuft die Anmeldefrist für die Umsiedlung ab. Er, seine Frau und ihre vier Kinder entschieden sich daher, den Antrag nicht zu stellen.

Bis vor wenigen Monaten waren sie allerdings noch anderer Meinung. "Bis zum Sommer haben wir uns ernsthaft überlegt, wegzuziehen", erzählt Bonifazi. "Aber die Suche nach einem neuen Standort für unseren Betrieb war sehr aufreibend und erfolglos. In unserem Fall geht es nicht nur darum, eine neue Bleibe zu finden, sondern unsere Existenzgrundlage zu sichern", fährt Bonifazi fort.

Seit die Behörden die neuesten Daten über die Bewegungen im Land veröffentlicht hatten, suchte die Familie nicht mehr nach neuen Möglichkeiten. Und sie war erleichtert.

Zerstören, was die Natur verschont hat

Obwohl Franziska Bötschi und Georgin Bonifazi unterschiedliche Wege gehen, sind sie sich in einem Punkt einig: Sie sind beide gegen den Abriss der Häuser von Wegziehenden. "Wenn wir uns entschieden hätten zu bleiben und die Häuser der Nachbarn alle abgerissen würden, hätten wir keine Häuser mehr um uns herum. Ist das ein schönes Leben?", fragt sich Franziska Bötschi. Am Tag, an dem beschlossen wird, ihr Haus abzureissen, hat sie beschlossen wegzufahren, um Abstand zu gewinnen.

"Was die Natur bisher verschont hat, zerstören wir nun selbst. Das macht absolut keinen Sinn und ist überhaupt nicht nachvollziehbar", sagt Bonifazi und schüttelt den Kopf. Dies ist jedoch die Voraussetzung für die Wegziehenden, um von den Subventionen aus Chur und Bern für den Wiederaufbau ihrer Zukunft zu profitieren.

Der Dorfkern von Brienz mit Blick auf das Albulatal gehört zu den geschützten Orten von regionaler Bedeutung. Eine Beurteilung durch die kantonale Denkmalpflege wird ermitteln, welche aufgegebenen Gebäude und Bauwerke von den Bulldozern verschont bleiben sollen.

Eine Zukunft zwischen neuen Wänden

Der 30. September wird für die Bewohner von Brienz/Brinzauls ein Wendepunkt sein. Wie geht es weiter? Franziska und René Bötschi bleiben vorerst in ihrer Wohnung in Tinizong.

"Wir wollen kein neues Haus bauen. Ich fühle mich hier wohl, die Menschen sind freundlich, und wenn ich jemanden aus Brienz/Brinzauls treffen möchte, rufe ich einfach an", erzählt die Rentnerin. Ihr Weggang ist jedoch nicht endgültig. Ihre Schwestern wollen das Familienhaus in Brienz behalten. Bötschi hofft, dorthin zurückkehren zu können.

Für die Zurückgebliebenen sind die Fragen noch nicht abgeschlossen. "Wie lange die Evakuation noch anhält, ist ungewiss. Sollten wir auch im kommenden Winter nicht zurückdürfen, müssen wir unsere Tiere und Vorräte erneut nach Landquart zügeln, wo wir zurzeit in einer Mietwohnung leben.

Ob wir für diese extreme finanzielle Mehrbelastung Unterstützung erhalten, ist fraglich", erzählt Landwirt Bonifazi. Die Zukunft des Familienbetriebs ist von grosser Unsicherheit geprägt. Aber noch ist die Hoffnung, nach Hause zurückkehren zu dürfen, intakt. "Wir werden nie eine bessere Heimat als Brienz/Brinzauls finden."

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