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Sarganserland
von Michael Kohler | Dienstag, 08. August 2023

Alp Schräa: Leben im Bann der Wölfe (mit Bilderstrecke)

Lorena Ritter (20) hat als Hirtin der Alp Schräa im Calfeisental heuer schon so einiges erlebt. Stürme, Hagel, Wassermangel: Mutter Natur bringt ihr ungeschont bei, was alles zum Älplerdasein gehört. Mit allem kommt sie klar – nur nicht mit dem Wolf. Bei einem Besuch berichtet sie von der Omnipräsenz des Rudels, von Ohnmacht und Einsamkeit, von zerkratzten Türen und schlaflosen Nächten auf 2000 Metern über Meer.

In der wildromantischen Natur des Calfeisentals hält die Mutterkuh- und Rinderalp Schräa alles bereit, was das Herz einer jungen Rinderhirtin begehrt. Saftige Weiden, frische Kräuter, steile Hänge, flache Plateaus und schier unendliche Weiten für das Vieh, eine kuschelige alte Hütte, eine Küche mit Holzofen, ein urchiges Stübli und ein Schlafzimmer mit Bett und einer bestechenden Aussicht für das Personal. In diesem Sommer darf Lorena Ritter aus Plons diese Alp ihre Heimat nennen. Während rund 90 Tagen kümmert sie sich auf der dreistaffligen Alp mit viel Herzblut um 125 Rinder und Mutterkühe. Und sie ist glücklich. Eigentlich.

«Wäre da nicht der Wolf», bedauert Lorena. Sie sitzt auf einer Holzbank vor der Hütte, eingemummt in eine dicke, rot karrierte Holzfällerjacke, und verfolgt auf ihrem Smartphone die aktuellen Wetterprognosen. Warm ist es nicht an diesem Donnerstag, aber immerhin trocken. Der Rauch im Schornstein verrät, dass der Holzofen in Betrieb ist. Die Hirtin wirkt nervös. Immer wieder streift ihr Blick den Weiden in der Nähe und den Steilhängen in der Ferne entlang. Dass sie nach dem Wolfsrudel mit fünffachem Nachwuchs Ausschau hält, das seinen Bau in nächster Nähe haben muss, liegt nahe (siehe hier).

Menschen, Tiere, Weggefährten

Mehrmals sei es in den vergangenen Tagen und Nächten zu Begegnungen gekommen. Ob direkt vor der Hütte oder in der unmittelbaren Nähe der Herde. Wenn nicht sicht-, dann mindestens hörbar. Und mit jeder Begegnung, so befürchtet Lorena, wird das Rudel etwas weniger scheu. Sie zeigt auf eine Stelle neben der nur von aussen begehbaren Toilette. «Genau hier ist der Wolfsrüde gestanden, als ich aus der Hütte kam. Ich war schockiert, er blieb unbeeindruckt stehen. Und dort hinten», deutet Lorena auf eine andere Stelle zwischen Hütte und Alpkreuz, keine 20 Meter von der Holzbank entfernt, «spielten die Wolfswelpen miteinander, mitten in der Rinderherde und direkt bei der Hütte».

Die Situation sei untragbar geworden, findet sie mit leicht bebender Stimme klare Worte. «Schliesslich habe ich nicht nur Angst um mich, sondern auch um die Herde, die mir ans Herz gewachsen ist und für die ich verantwortlich bin.» Und natürlich um Asco. Der zweijährige Sennenhund ist Lorenas liebgewonnener Gefährte während der Alpzeit. Auch ihn überfordert die Situation mit dem Rudel masslos, zeige er doch einerseits immer an, wenn er die Wölfe wittert oder hört, wäre aber andererseits leichte Beute für das Rudel – «vor allem jetzt, da der Beschützerinstinkt der Alten aufgrund der Welpen ausgeprägt ist».

Was zu viel ist, ist zu viel

Ein einfaches Leben als Rinderhirtin, das sei Lorenas Traum gewesen, berichtet die Älplerin auf ihrem allnachmittäglichen Kontrollgang zur Herde. Ein Sommer in Abgeschiedenheit, alleine mit Vieh und Hund. Zurückgezogen, selbstständig, geerdet, frei. Einmal ihre eigene Herrin sein – mit allem drum und dran. Dass dazu auch grosse Verantwortung, körperliche Strapazen, strenge Tage und kurze Nächte gehören, weiss die 20-jährige Studentin und angehende Lehrerin nur zu gut. Ihr Leben lang begleitete sie ihren Vater auf die Alpen der Region. Sie weiss darum auch, dass Mutter Natur immer wieder Überraschungen und Herausforderungen bereithalten kann.

Schon siebenmal sind die Älplerin und das Vieh von einem Hagelschauer überrascht worden. Siebenmal sei Lorena darum auch nachts bei den Tieren geblieben. «Das ist selbstverständlich, so habe ich es gelernt», erklärt sie und spricht von alter Schule. Das Wohl der Tiere kommt zuerst. So einfach ist die Devise. Auch habe Lorena im Frühsommer mangels Niederschlag zwei Wochen lang zu wenig Wasser für die Rinder auf der Alp gehabt. Ihr blieb nur das Tränken der Tiere von Hand. «Jeden Tag habe ich damit drei bis vier Stunden zugebracht, damit die Tiere immerhin ein bisschen Wasser zu trinken hatten.»

Die Omnipräsenz des Wolfsrudels überspanne den Bogen aber deutlich, erklärt die Plonserin auf dem Rückweg zur Hütte, sichtlich erleichtert über die erneute Gewissheit, dass der Herde an diesem Nachmittag nichts zugestossen ist. «Was zu viel ist, ist zu viel.»

Leinen, Böller, Pfefferspray

Von den aktuellen Begegnungen mit dem Wolf hat die Hirtin an diesem Donnerstag schon einmal minutiös berichtet. Denn am Vormittag hat der lokale Wildhüter die Alp aufgesucht, um sich vor Ort ein Bild zu machen. «Endlich», ist Lorena im Nachgang versucht zu sagen, hatte sie doch seit vier Tagen auf den Experten gewartet. Seine Erkenntnisse: Das Wolfsrudel kennt den Geruch von Lorena, sieht sie langsam als Teil des Rudels und nähert sich darum auch unbeirrt. Seine Ratschläge: Nachts nicht mehr aus der Hütte gehen, den Hund an die Leine nehmen oder in der Hütte einsperren und die ganze Sache nicht zu nahe an sich herankommen lassen.

«Lächerlich», kommentiert Lorena am späteren Nachmittag zurück in der Hütte. Sie setzt Wasser für ihre Gäste auf. Roger Anthamatten, Verwaltungsrat der Ortsgemeinde Pfäfers (Eigentümerin der Alp), und Frau Vreni sind zu Besuch. Sie kommen nicht mit leeren Händen, sondern bringen nebst etwas Käse und frischen Früchten auch Knallkörper und Pfefferspray mit. Sie sollen die Wölfe abschrecken und Lorena nebst dem Hirtenstab zur Selbstverteidigung dienen.

Im Zweifelsfall ein Stossgebet

Bevor sich Lorena an diesem Abend schlafen legt, steht eine weitere Kontrollrunde an. Und telefoniert mit ihrer Mutter, um vom Tag zu berichten und – oftmals unter Tränen – zu versichern, dass es ihr und allen gut geht. «Das gehört zur normalen Tagesroutine.» Im Gegensatz zur zusätzlichen Kontrollrunde, die sie seit einigen Tagen morgens um 1 Uhr macht, begleitet von Asco und ausgerüstet mit Hirtenstab und Taschenlampe.

Dazwischen versucht Lorena, ein wenig Schlaf zu finden. Und sie lauscht unaufhörlich. Den Weideglocken der Rinder, dem Heulen der Wölfe draussen in der Dunkelheit, den Kratzgeräuschen in der Küche. «Asco hört die Wölfe, möchte ihnen folgen und zerkratzt ganz verstört die Eingangstüre.»

So zieht sich die Nacht hin. Mehrmals springt Lorena auf, eilt ans Fenster und zündet mit der Taschenlampe bis zum nahen Alpkreuz. Dann legt sie sich wieder hin. Und betet. «Wenn ich nachts nicht zu den Tieren schauen kann, dann muss der Herrgott für mich zu ihnen schauen.»

Nach der Mitternachtskontrolle, sie ist ereignislos, wird Lorena schliesslich vom Schlaf übermannt. Um sechs Uhr wird sie vom Klingeln des Weckers erwachen. Und mit ihr die erneute Ungewissheit, ob die Herde sicher ist. Ein neuer Tag bringt neue Angst.

Aus dem Kopf aufs Papier

Der Wolf bestimmt ihren Alltag, jede Sekunde davon. Er nimmt ihre Gedanken ein, ihr ganzes Handeln, und verfolgt sie im Schlaf. Um der Sache Meister zu bleiben, schreibt Lorena alles nieder, rapportiert das Erlebte, jede Begegnung und Beobachtung, aber auch den Mehraufwand, den die Wolfspräsenz für sie nach sich zieht. Das macht sie einerseits für sich, andererseits aber auch für die Viehbesitzer und die Hirtinnen und Hirten der umliegenden Alpen. «Eine offene Kommunikation erscheint mir in der jetzigen Situation zentral.» Damit möchte sie auch dem Umstand gegenwirken, dass sie mit der Wolfsproblematik hier oben nicht ernst genommen und oftmals alleine gelassen oder gar kritisiert wird. Die Vorgehensweise treffe mehrheitlich auf Zuspruch.

Lorenas Traum hat anders ausgesehen. Es verwundert darum nicht, dass sie sich fragt, ob sie je wieder z’Alp fahren will. Was sie allerdings weiss: «Es muss etwas geschehen.» Für sie, für alle, die nach ihr kommen, und für die gesamte Alpwirtschaft.

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Kommentare (1)

  • Markus Kühnel | 24.12.2024
    Respekt und Anerkennung für diese junge Frau und alle die diese wichtige Arbeit der Alp/Almbewirtschaftung betreiben.
    Ich habe zuerst auf ARTE im TV eine Doku gesehen in der ich auf Lorena aufmerksam wurde.
    Wölfe sind freilich faszinierende Tiere und sind ebenfalls wichtig für unser Ökosystem.
    Nichts desto trotz darf durch unsere " falsche Wolfsromantik" die Population Überhand und das Meideverhalten der Raubtiere vor dem Mensch abhanden kommen.
    Für all diejenigen die in der Weidetierhaltung tätig sind, gehören entsprechende Mittel der Vergrämung von Beutegreifern als letztes Mittel zur Verfügung gestellt... .Gummischrotgeschosse etc.

    Ich glaube keiner will tatsächlich solch wunderbare Tiere wie Wolf, Luchs und Bär wieder ausrotten.
    Aber die Leute, die die Landschaft bewirtschaften und erhalten , sollten ein entsprechendes Mittel an der Hand haben und nicht Tage auf Die Wildhut oder Tipps unbeteiligter aus den Städten warten müssen....
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