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Marco Sturm schreibt NHL-Geschichte
Noch nie hat ein in der Schweiz geborener Trainer den Sprung in die NHL geschafft. Mit dem Deutschen Marco Sturm wirkt nun erst der vierte Nicht-Nordamerikaner überhaupt als NHL-Chefcoach.
Wann immer in den vergangenen 30 Jahren deutsche Eishockey-Geschichte geschrieben wurde, war der Name Marco Sturm nicht weit. 1997 debütierte Sturm mit 19 Jahren in der NHL und ist bis heute mit 1006 Partien der Deutsche mit den meisten Spielen in der besten Liga der Welt. 2018 führte er das deutsche Nationalteam bei den Olympischen Spielen als Trainer sensationell zur historischen Silbermedaille. Seit dieser Saison ist der inzwischen 47-Jährige auch der erste in Deutschland geborene NHL-Chefcoach.
"Natürlich habe ich Schmetterlinge im Bauch, das muss ich ganz ehrlich sagen", sagte Sturm, seit Sommer Cheftrainer der Boston Bruins. Der Saisonstart ist dem Team, das in der vergangenen Saison erstmals seit 2016 die Playoffs verpasst hatte, mit drei Siegen aus fünf Spielen soweit geglückt. "Ich bin nicht wirklich überrascht. Sie haben von Anfang an sehr hart gearbeitet. Zum Glück bekommen sie jetzt die verdiente Belohnung", zeigt sich Sturm mit seinen Spielern zufrieden.
Boston ist nicht irgendein Team. In der NHL nicht, aber auch für Sturm nicht. Zwischen 2005 und 2010 erlebte er in Boston seine beste Zeit als Profi. Die Menschen in der Stadt lieben den Bayern, der 2010 in einem Freiluftspiel im Baseball-Stadion Fenway Park gegen die Philadelphia Flyers das entscheidende Tor schoss. "Das haben die Leute bis heute nicht vergessen", erinnert sich Sturm strahlend. "Deshalb habe ich etwas mehr Kredit."
Sturm soll den Umbruch gestalten
Die Bruins gelten als traditionsreichstes Eishockey-Team der USA und sind NHL-Gründungsmitglied. Nach der verpatzten Vorsaison musste beim sechsmaligen Stanley-Cup-Champion ein Umbruch her. Den sollte ein neuer Trainer gestalten - und die Wahl fiel dabei auf Sturm, der sich nach der gewonnenen olympischen Silbermedaille 2018 jahrelang auf diese Chance vorbereitete. "Das war der Knackpunkt in meiner Trainerkarriere", sagt Sturm.
Durch den unerwarteten Erfolg geriet der NHL-Veteran auch als Trainer wieder in den Fokus der besten Liga der Welt. Zunächst als Co-Trainer der Los Angeles Kings und später als Coach des Kings-Farmteams Ontario Reign in der zweitklassigen Profiliga AHL lief er sich für die NHL warm. Dass Sturm es als erster gebürtiger Deutscher nun in eine solche Position geschafft hat, ist alles anders als selbstverständlich.
Um die Dimension dessen zu begreifen: Die Cheftrainer-Jobs der 32 NHL-Teams werden traditionell nur an Amerikaner oder Kanadier vergeben. In der über 100-jährigen Geschichte der Liga gab es vor Sturm genau drei Cheftrainer, die nicht aus Nordamerika kamen. "Ehrlich gesagt denke ich gar nicht daran. Aber wenn ich Fragen danach bekomme oder es lese, macht mich das natürlich sehr, sehr stolz", gab Sturm bei sportschau.de zu.
Nun ist Sturm inzwischen quasi halber Amerikaner. Abgesehen von einem kurzen Unterbruch in seiner Zeit als Bundestrainer zwischen 2015 und 2018 lebt er seit nunmehr 28 Jahren in den USA. Die Menschen kennen und schätzen ihn, in fast 30 Jahren hat er sich ein wichtiges Netzwerk aufgebaut.
Sturm wirkt auf Anhieb
Und Sturm kommt an. "Es war schon lange nicht mehr so hart umkämpft und körperbetont im Camp", lobt Bostons Superstar David Pastrnak. "Marco hat gut erklärt, wie er sich unseren Spielstil vorstellt, was es recht einfach für uns macht." Schon als Bundestrainer galt Sturm als "Menschenfänger".
Ob Sturm die Bruins wieder in die Playoffs führen kann, muss trotz des mehrheitlich gelungenen Saisonstarts abgewartet werden. Eigentlich gilt Boston erneut nur als Aussenseiter. Dennoch hat Sturm dem Team bereits ein neues Gesicht gegeben.
"Wir sind zuletzt etwas von dem weggegangen, was die Bruins ausmacht. Der Standard an Einsatz, den wir jeden Tag haben wollen, ist da verloren gegangen. Das war mein Hauptthema", sagte Sturm zur Analyse der Vorsaison. "Wir wollen wieder an das anknüpfen. Ich habe erklärt, was ich jeden Tag von den Spielern einfordern werde. Das war meine Botschaft."
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