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Noe Seifert nach seinem Bronze-Coup an der WM
Noe Seifert spricht nach seinem Medaillen-Coup an der Kunstturn-WM in Jakarta über den historischen Erfolg und seine Zukunftspläne.
Noe Seifert hat am Mittwoch in Jakarta mit Bronze als erster Schweizer seit 75 Jahren an einer Kunstturn-WM eine Medaille im Mehrkampf gewonnen. Am Tag danach spricht er mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA unter anderem über die kurze Nacht, die Gründe für den historischen Erfolg und was als Nächstes ansteht.
Noe Seifert, wie ordnen Sie den Gewinn der WM-Bronzemedaille im Mehrkampf mit einer Nacht dazwischen ein?
"Das Ganze ist noch so nah, dass es schwierig ist, das schon komplett zu realisieren. Das braucht noch ein wenig Zeit."
Haben Sie überhaupt geschlafen?
"Nicht wirklich viel. Es war eine kurze Nacht, hat sich aber auf jeden Fall gelohnt, lange wach zu bleiben. Wir verbrachten mit der gesamten Schweizer Delegation einen gemütlichen Abend im Hotel. Es war cool. In den nächsten Tagen werden wir sicher noch mehrmals draussen feiern."
Was sind für Sie die Hauptgründe für den Medaillengewinn?
"Ich denke, es sind viele Faktoren, die zusammenspielen und dafür sorgen, dass alles so perfekt aufgegangen ist. Es half mir, dass ich aus meiner Sicht nicht als Favorit in den Wettkampf startete. Dadurch war ich nicht speziell nervös, ich verspürte keinen grossen Druck und nahm gelassen Gerät für Gerät. So ist es aufgegangen."
Spürten Sie, dass es ein guter Tag wird?
"Nein. Als ich aufstand, dachte ich, es wird Horror. Zwar schlief ich gut, aber ich hatte Rückenschmerzen und fühlte mich auch sonst nicht topfit. Als ich mich dann im Training das erste Mal richtig bewegte, ging es aber schon besser."
Das heisst, dass der Rücken immer noch Probleme bereitet?
"Ja. Manchmal geht es besser, manchmal weniger gut. Ich habe mich etwas daran gewöhnt. Ich trainiere nicht so oft Boden und Sprung. Das ist jedoch kein Problem, da ich in diesen Disziplinen nicht die schwierigsten Übungen mache. Von daher geht es."
Ende Mai vergaben Sie an der EM in Leipzig mit einem verpatzten Abgang am Reck eine erste Medaille im Mehrkampf an internationalen Meisterschaften. Nun war wieder das Reck das letzte Gerät und war die Ausgangslage ähnlich. Ging Ihnen das durch den Kopf?
"Nein, gar nicht. Ich wusste nicht einmal genau, wie viele Punkte ich hatte. Ich wollte einfach eine gute Übung zeigen. Hätte ich darüber nachgedacht, wäre es wahrscheinlich nicht gut herausgekommen."
Haben Sie diesbezüglich im mentalen Bereich gearbeitet?
"Nein, nicht spezifisch auf diesen Wettkampf hin. Aber ich denke, die Erfahrungen, die ich in Leipzig gemacht habe, haben mir sicherlich viel gebracht, ebenso wie die Erfahrungen, die ich sonst über die Jahre sammeln konnte. Das hilft dir, mit solchen Situationen umzugehen. Zudem habe ich viel am Abgang am Reck gearbeitet. Dieser wurde mir in Leipzig nicht zum ersten Mal zum Verhängnis. Deshalb habe ich dort etwas an der Technik geändert."
Im vergangenen Jahr verpassten Sie an den Olympischen Spielen in Paris den Mehrkampf-Final, weil Sie in der Qualifikation nur der drittbeste Schweizer waren. Gab Ihnen das einen zusätzlichen Kick?
"Das kann ich so nicht sagen. Mir half aber das dort Erlebte. Es war mein bisher grösster Wettkampf, ich verspürte enorm viel Druck, da ich vier Jahre daraufhin gearbeitet hatte. Wenn du so etwas erlebt hast, sind andere Wettkämpfe fast schon easy."
Mit Florian Langenegger als Zehnter schaffte ein zweiter Schweizer im Mehrkampf-Final den Sprung in die Top Ten. An der EM in Leipzig gewannen Sie mit dem Team Silber, das beste Ergebnis einer Schweizer Mannschaft im Kunstturnen aller Zeiten. Die Erfolge gingen nach den Rücktritten der "goldenen" Generation um Pablo Brägger und Oliver Hegi nahtlos weiter. Was sind für Sie die Gründe dafür?
"Wir haben sicherlich ein gutes Trainerteam, auch die Infrastruktur und alles drumherum stimmen, wir werden vom Verband gut unterstützt. Zudem gab es im Team keine grossen Verletzungen, dadurch konnten alle gut trainieren und Fortschritte erzielen. Wir pushen uns gegenseitig. Das widerspiegelt sich nun in den Resultaten."
Inwiefern habt Ihr von Brägger und Co. profitiert?
"Sie halfen sicherlich. Für uns war es zu dieser Zeit schwierig, es (an Grossanlässen) ins Team zu schaffen. Sie setzten eine hohe Limite, was uns im Training motiviert hat, schwieriger zu turnen und besser zu werden."
Das Fernziel sind die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles. Wo sehen Sie bis dahin noch das grösste Steigerungspotenzial?
"Ich möchte sicherlich am Barren und Reck die Chancen erhöhen, den Einzelfinal an einer WM (Top 8) zu erreichen. Hier hat nicht viel gefehlt (Rang 10 im Reck und Rang 13 am Barren). Ich kann an beiden Geräten schwieriger turnen, doch fehlt mir noch die Stabilität. Ich muss die richtige Balance finden."
Letzte Frage, wie geht es nun nach der Rückkehr weiter? Was steht in diesem Jahr noch an?
"Ich werde im November noch zweimal in der Bundesliga (für Frankfurt) turnen und die Schweizer Mannschaftsmeisterschaften bestreiten. Dann steht vielleicht noch der Final in der Bundesliga auf dem Programm. Aber ich mache keinen Mehrkampf mehr, turne nur noch drei Geräte. Danach benötige ich eine Pause."
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