Die digitale Ausgabe des Sarganserländers.
True Crime Graubünden: Dieser Ein- und Ausbrecherkönig beschäftigt die Polizei über Jahrzehnte
Der Name Josef Wessely dürfte vielen Polizistinnen und Polizisten immer noch ein Begriff sein. Der Grund: Kaum einer ist in der Schweiz so häufig eingebrochen und aus Gefängnissen ausgebrochen.
Wir schreiben das Jahr 1979. Der damals 50-jährige Josef Wessely wird im Juni in einer Migros-Filiale in Chur verhaftet. Die Polizei wurde gemäss damaliger Meldung der «Bündner Zeitung» auf einen Mann in Wanderkleidung aufmerksam. Er war zwei Monate zuvor aus der Justizvollzugsanstalt Thorberg in Bern ausgebrochen. Auch nach seiner Verhaftung in Chur hielt es den Mann aber nicht lange im Gefängnis - er brach erneut aus und wurde im September 1980 in Ilanz erneut aufgegriffen. Er hatte 50'000 Franken von einem Einbruch von der Nacht zuvor bei sich.
Geld weg, Tatort schön aufgeräumt
Diese kurze Anekdote zeigt, wie Wessely einen grossen Teil seines Lebens verbrachte - einbrechen, klauen, verhaftet werden, Gefängnis, ausbrechen und dasselbe Spiel von vorne. Wessely machte sich über Jahrzehnte einen Namen als Ein- und Ausbrecherkönig. Das Spezielle am «Wieseli», wie er in der Schweiz manchmal genannt wurde: Er hat bei seinen Einbrüchen nie Gewalt angewendet und hinterliess jeden Tatort schön aufgeräumt.
Beide Eltern kommen früh ums Leben
Wessely kam am 3. August 1929 in Rumänien zur Welt. Im Jahr 1945 verlor er beide Eltern. Sein Vater starb im Krieg, seine Mutter wurde im selben Jahr nach Russland deportiert. Er kam fortan bei seinem Lehrmeister unter. Wessely absolvierte eine Schreinerlehre. Doch schliesslich musste der Betrieb schliessen. Wesselys Dienste waren nicht mehr gefragt. Der inzwischen 19-jährige Wessely wollte nach Deutschland – weg von den Kommunisten. In Ungarn wurde er zum ersten Mal festgenommen, weil er illegal die Grenze übertreten und Äpfel geklaut hatte. Er floh zum ersten Mal aus dem Gefängnis, wurde in Österreich von den Russen aufgegriffen und floh erneut.
Er hatte nun keine Papiere mehr, schlug sich aber nach Deutschland durch, wo er aber nicht glücklich wurde. Sein Weg führte über Belgien - wo er wegen illegaler Einreise erneut im Gefängnis landete – nach einem erneuten Ausbruch, nach Frankreich. Nach einem weiteren Gefängnisaufenthalt – wegen Landstreicherei – landete er in Paris bei der Fremdenlegion. Es gefielt ihm nicht und er machte sich auf in die Schweiz – wo er seine lange Einbrecherkarriere richtig lancierte. Über 1000 Einbrüche wird er schliesslich begehen.
Mit hoher Kadenz eingebuchtet und wieder geflohen
Seinen ersten Einbruch in der Schweiz beging er in Grindelwald. Er nimmt aus einem Hotel mit, was er findet. Wir schreiben inzwischen das Jahr 1952. In den folgenden Jahren wurde er mit hoher Kadenz verhaftet und eingebuchtet, in fast eben so hoher Kadenz brach er wieder aus – alleine in den sechs Jahren nach dem Einbruch in das Hotel in Grindwald gelang ihm fünf Mal die Flucht, nachdem er verhaftet wurde.
Leben in Brasilien, Einbrüche in der Schweiz
1963 landete er schliesslich in Flensburg. Er fuhr als Schiffszimmermann nach Rotterdam, Antwerpen Southampton und landet bei weiteren Schiffsfahrten in Russland, Westindien und schliesslich in Brasilien, wo es ihm gefiel. «Ich dachte, ein Tropenland, das wär gut für mich, immer warm, und Brasilien ist ein grosses Land, es sind alle Rassen da, und die gucken nicht so genau, wer einer ist», gab er gegenüber dem Magazin des «Tages-Anzeiger» zu Protokoll. Er wollte auswandern und belegte einen Fernkurs im Hochbauzeichnen.
Die Schweiz blieb aber ein wichtiger Ort in seinem Leben – immer wieder kam er für Einbrüche zurück. So etwa an den Zugersee, wo er bei einem nächtlichen Besuch einen Kassenschrank mitnahm und diesen im Wald zu knacken versuchte. Er entdeckte eine neue Gabe und wurde zum Panzerknacker Josef.
Stets in passenden Kleidern unterwegs
Wessely entwickelte bei seinen Einbrüchen eine Routine: Er stieg häufig in Hotels abseits der Wege ein und bereitete sich stets gut vor. So putzte er vor Einbrüchen stets die Sohlen seiner Schuhe. Und damit schliesst sich der Kreis zur Anekdote zu Beginn des Textes – er versuchte immer auszusehen wie andere Fremde in den Bergen – also Wanderhose, Wanderschuhe, Wanderhemd und Jacke. Es entsprang also einer gewissen Logik, dass er bei seiner Verhaftung in Chur ebenfalls so aufgegriffen wurde. Wessely machte sich einen Namen als Gentlemen-Verbrecher, so liess er den Tatort stets in bester Ordnung zurück – Bohrlöcher stopfte er manchmal gar mit Weissbrot zu.
Wachmann hilft bei Flucht
Sein sympathisches Auftreten half ihm auch im Gefängnis. Gemäss dem Magazin des «Tages-Anzeigers» brachten ihm beispielsweise Wärter der Strafanstalt Thorberg Fotos ihrer Kinder in die Zelle, er malte mit diesen Vorlagen Bilder aus Öl. Auch bei einigen Ausbrüchen war ihm sein Wesen dienlich. So erzählte ihm beispielsweise ein Wachmann in einem Gefängnis von seinen Problemen – uneheliches Kind, Geldsorgen. Er kam mit Wessely zu einer Einigung – dieser versprach ihm Geld – und öffnete ihm fünf Türen für seine Freiheit. Und Wessely, ganz seinem Ruf als Gentleman-Verbrecher entsprechend, hielt Wort. Er vergrub 35'000 Franken in einem Wald im Wallis und schickte seinem Helfer einen Plan.
Einbrüche trotz schwangerer Frau
Und damit zum zweiten eingangs geschilderten Ereignis – der Verhaftung in Ilanz, die ebenfalls zeigt, dass das Einbrechen bei ihm in Fleisch und Blut übergangen ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte Wessely bereits eine Frau in Brasilien und das erste Kind war unterwegs. Dennoch entschied er sich – um Startkapital fürs neue Leben zu schaffen – ein letztes Mal Geld zu beschaffen. Jenes Geld, welches man bei der Verhaftung in Ilanz fand. Als sein Sohn am 4. November 1980 zur Welt kam, sass er deshalb in einem Hochsicherheitstrakt – und für einmal brach er auch nicht aus, weshalb er erst 1985 die Freiheit wieder erlangte.
Er wird wiederkommen
Doch es sollte nur wenige Jahre dauern, bis er erneut in der Schweiz auftaucht – mit den gleichen Absichten wie zuvor. Das änderte sich bis ins neue Jahrtausend nicht. Selbst mit 72 Jahren, halb blind, tauchte er noch in der Schweiz auf und verrichtete sein Werk. So schloss denn auch der Bericht des «Tages-Anzeigers» aus dem Jahr 2002 mit der Erzählung, dass er am 20. Juni aufgrund guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen und des Landes verwiesen worden sei. Am 30. Juni flog er von Frankfurt nach Rio. Und der Bericht schliesst mit dem Satz: Er wird wiederkommen. Ob dem tatsächlich so war, ist nicht überliefert. Es scheint aber angesichts seiner Lebensgeschichte plausibel.
*Die Infos aus diesem Text entstammen zum Teil früheren Zeitungsberichten. So aus dem Magazin des «Tages Anzeigers», der «Bündner Woche» und der «Bündner Zeitung».
















Kommentare (0)
Schreibe einen Kommentar