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Verstappen als ungebetener Gast der Papaya-Party
Der immer dramatischer werdende Titelkampf in der Formel 1 erlebt am Sonntag in Abu Dhabi seinen Höhepunkt. Nach einer Reihe von Fehlern bei McLaren könnte Max Verstappen nun doch Weltmeister werden.
Jetzt muss Lando Norris richtig zittern. Nachdem der Engländer eineinhalb Hände am WM-Pokal hatte, musste er am vergangenen Wochenende in Katar einen moralischen Rückschlag hinnehmen. Zwar kann er seinen ersten WM-Titel im letzten Grand Prix der Saison immer noch aus eigener Kraft perfekt machen, doch der WM-Leader spürt vor dem Showdown im Nahen Osten Max Verstappen und Teamkollege Oscar Piastri im Nacken.
Psychologische Kriegsführung
Der Niederländer im Red Bull wehrte sich wie eine Woche zuvor in Las Vegas erneut erfolgreich, als Weltmeister entthront zu werden. Nach seinem unerwarteten Sieg am Sonntag im Grand Prix von Katar liegt er in der WM-Wertung nur noch 12 Punkte hinter Norris zurück - eine erstaunliche Leistung mit einem sichtbar langsameren Auto.
Das betonte auch Verstappen selbst, indem er erklärte, er hätte die WM "schon vor langer Zeit" entschieden, hätte er die Saison mit der gleichen Materialüberlegenheit wie McLaren begonnen. Norris wies den verbalen Giftpfeil seines WM-Rivalen als "Nonsens" zurück - doch Verstappen konterte trocken: "Ich lege nur alle Fakten auf den Tisch."
Tatsächlich verfügte McLaren auf den meisten Strecken über das schnellste Auto im Feld, das war auch zuletzt am Sprint-Wochenende in Katar offensichtlich. Auch der längst feststehende WM-Titel in der Konstrukteurswertung ist ein starkes Indiz für die Dominanz der orangefarbenen Autos.
Eigentlich müsste dem englischen Team der erste Fahrer-Titel seit zwölf Jahren längst sicher sein, wäre da nicht das eigene Unvermögen. Zuletzt bremste sich McLaren gleich zweimal selbst aus. Erst durch die Disqualifikation beider Fahrer in Las Vegas, dann durch einen strategischen Fehlentscheid bei den Boxenstopps in Katar.
Die Krux mit den "Papaya-Regeln"
Beides kostete McLaren im Titelrennen nicht nur wertvolle Punkte, sondern auch Nerven. Das gilt ebenso für die viel diskutierten "Papaya-Regeln", mit denen sich das Team zusätzlich selbst im Weg steht. Dass man die beiden Fahrer im Sinne sportlicher Fairness frei gegeneinander fahren lässt, mag für neutrale Fans ein Segen sein, für das Team jedoch ein Risiko, das man eigentlich vermeiden könnte.
Ob diese Philosophie für den finalen Akt in Abu Dhabi fallen gelassen wird? Klar ist: Leicht wird es nicht, Piastri dazu zu bewegen, Norris zu unterstützen. Nach einem wochenlangen Formtief war der Australier in Katar von A bis Z der stärkste Fahrer im Feld und hätte nach seinem Start-Ziel-Sieg im Sprint auch den Triumph im Grand Prix verdient - wäre da nicht die Fehlentscheidungen an der Kommandozentrale gewesen.
Für diese kann Piastri, der die WM-Wertung von Ende April bis Anfang November ununterbrochen angeführt hat, jedoch nichts. Und so ist nicht zu erwarten, dass er von seiner Linie abrückt. Er wird seine eigenen Chancen auf den ersten WM-Titel weiter wahren wollen. Die 16 Punkte Rückstand auf seinen Teamkollegen lassen sich jedoch nur unter zwei Bedingungen aufholen: Entweder er gewinnt und Norris wird maximal Sechster, oder er wird Zweiter und Norris maximal Zehnter. Verstappen dürfte im zweiten Fall höchstens Vierter werden. Norris seinerseits genügt bereits ein Podestplatz zum WM-Titel.
Der Horrorfilm, der nicht enden will
Nutzniesser dieser verstrickten Situation bei McLaren ist selbstredend Verstappen, der sich im Titelkampf schon mehrfach selbst abgeschrieben hat. Wie schwer der Titelverteidiger kleinzukriegen ist, beschrieb McLarens Geschäftsführer Zak Brown mit einem treffenden Vergleich: "Er ist wie dieser Typ im Horrorfilm, bei dem du denkst, er kommt nicht zurück - und dann ist er wieder da." Ein Kompliment, wie Brown betont: "Er macht nie Fehler. Er nutzt jede Chance." Selbst als Verstappen in der WM-Wertung 104 Punkte Rückstand aufwies, fühlte sich bei McLaren niemand sicher. "Wir haben nie gedacht, dass er raus ist", so Brown.
Und so wird Verstappen zum ungebetenen Gast, zum potenziellen Bösewicht, der die längst geplante Papaya-Party zum Saisonende crashen könnte. Vielleicht wird es sogar so dramatisch wie vor vier Jahren, als das epische Duell zwischen Verstappen und Lewis Hamilton in Abu Dhabi erst in der allerletzten Runde entschieden wurde.
Das Drehbuch für ein spannendes Finale steht. Wer die Hauptrolle spielen wird, entscheidet sich am Sonntag.
















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