Die digitale Ausgabe des Sarganserländers.
Schottische Kunst, österreichischer Jubel und das karibische Wunder
Am letzten Tag der WM-Qualifikation vor den Playoffs schreibt der Fussball nochmals wundervolle Geschichten. Ein Rundgang von Glasgow über Wien nach Kingston.
Das grösste Spiel ihres Lebens
Die Qualifikations-Kampagne von Schottland war kein Leckerbissen - bis am Dienstagabend zumindest nicht. Letzten Monat war das Nationalteam nach einem mühsamen 2:1 gegen Belarus im Glasgower Hampden Park noch ausgebuht worden. Captain John McGinn hatte auf die Verärgerung der Fans etwas entnervt reagiert: "Hätten sie lieber, dass wir Mannschaften vom Platz fegen und auf schottische Art verlieren?"
In diesem Jahrhundert war Schottland in der WM-Qualifikation immer gescheitert, nicht selten mit wehenden Fahnen. Am Dienstagabend verlief alles anders. Die Schotten kämpften, wie sie es immer tun, und sie brillierten, wie sie es selten schaffen. Das 1:0 von Scott McTominay fiel in der Startphase durch einen Fallrückzieher, das unbedingt benötigte 3:2 erzielte Kieran Tierney mit einem schönen Schlenzer in der 93. Minute, und das krönende 4:2 fiel durch einen Schuss von der Mittellinie von Kenny McLean, der in Englands zweiter Liga für Norwich spielt und seit über anderthalb Jahren kein Tor mehr erzielt hatte.
Die BBC berichtete, wie ein schottischer Fan diesen Match und die erste WM-Teilnahme seit 1998 als Entschädigung für die 30 Jahre des gloriosen Scheiterns bezeichnete. Für den britischen TV-Sender war es für eine ganze Generation das grösste Spiel ihres Lebens.
Auf dem Zenit der Achterbahnfahrt
Den "schönsten Tag meines Fussballer-Lebens" feierte Michael Gregoritsch. "Wir haben Geschichte geschrieben. Es gibt kein besseres Gefühl. Es ist unfassbar, unglaublich", jubelte der österreichische Torschütze zum entscheidenden 1:1 gegen Bosnien-Herzegowina nach dem erinnerungswürdigen Match vor den Kameras von "Servus TV". Erstmals seit 1998 ist Österreich wieder an einer WM dabei und verdankt es dem Stürmer, der zuverlässig seine Tore schiesst, aber seine Karriere selber als eine Achterbahnfahrt bezeichnet.
Dass Gregoritsch wieder im Hoch ist, war nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Seit diesem Sommer spielt der frühere Freiburger in Dänemark für Bröndby und ist öfters auf der Ersatzbank, als ihm lieb ist. Auch am Dienstagabend in Wien kam er erst nach einer Stunde ins Spiel. Er sei nicht der spektakulärste Spieler, "ich bin einer der langsamsten". Seinen Treffer bejubelt der untypische Angreifer mit dem grossen Kämpferherz bezeichnenderweise mit dem Griff ans Bauchfett. Nach dem Match darauf angesprochen, meinte Gregoritsch ohne ins Detail zu gehen: "Manchmal ist es nicht nur wichtig, wie hoch der Fettwert ist."
Von 100 auf 10'000
Curaçao bewies 16 Flugstunden von Wien entfernt im jamaikanischen Kingston, dass auch die Grösse nicht immer alles ist. Der Karibikstaat, der nach Fläche (444 Quadratkilometer) etwas kleiner ist als Obwalden und nach Einwohnerzahl (ca. 155'000) etwas grösser als der Kanton Zug, schaffte mit dem torlosen Remis in Jamaika den Sprung an die WM als kleinster Teilnehmer der fast 100-jährigen Geschichte.
Als Teil des niederländischen Königreichs ist das seit 2010 fussballerisch unabhängige Curaçao bei der Trainerauswahl etwas im Vorteil. Auf Guus Hiddink und Patrick Kluivert folgte 2024 mit Dick Advocaat ein weiterer Startrainer aus Holland. Der 78-Jährige hievte das Team mit dem FCZ-Spieler Livano Comenencia auf ein neues Level und wird im kommenden Sommer seine dritte Weltmeisterschaft als Chefcoach nach jenen mit der Niederlande (1994) und Südkorea (2006) bestreiten.
Aus familiären Gründen war Advocaat in diesen Tagen in den Niederlanden und verpasste dadurch die ersten Feierlichkeiten auf der Insel. Die Basis dazu hatte er mit seinem Team zuvor gelegt, wie er "Voetbal International" erzählt: "Es ist echt sehr besonders, das mitzumachen und zu sehen, was wir mit Fussball auf dieser Insel alles ausgelöst haben. Als wir begonnen haben, waren 100 Leute im Stadion. Jetzt kommen immer 10'000."
















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