Die digitale Ausgabe des Sarganserländers.
Waldrapp «Elton» verirrt sich ins Sarganserland
In Vilters und in Flums ist kürzlich ein Waldrapp gesichtet worden. Es war wohl ein und derselbe Vogel, der seine Gruppe verloren hatte, jetzt aber wieder auf den richtigen Weg gebracht werden konnte.
Es war die Facebook-Gruppe «Du bisch vo Vilters-Wangs wenn …», die vor wenigen Tagen auf den auffälligen, seltenen Vogel aufmerksam machte. Einer der Kommentare auf den Post lautete «Wow … en Waldrapp». Jene Person lag damit goldrichtig, wie Wildhüter Albert Good und Ursina Wüst von Birdlife Sarganserland auf Anfrage bestätigen.
In freier Wildbahn äusserst selten
Ein Waldrapp im Sarganserland – wie kann das sein? Das Tier mit dem prägnanten Schnabel, dem wenig befiederten Kopf und der tiefschwarzen Farbe habe sich verirrt, erklären die beiden Fachleute. Schon vergangenes Jahr hätten gut ein Dutzend Tiere den Weg in ihr Winterquartier in der Poebene in Italien nicht geschafft und seien im Churer Rheintal gestrandet. Dafür gibt es verschiedene mögliche Erklärungen. Ein langer, warmer Herbst etwa, ausserdem scheint die Rofflaschlucht in Graubünden bei schlechten thermischen Bedingungen so etwas wie ein unüberwindbares Hindernis zu sein. Sowohl 2022 als auch in diesem Jahr kehrten die Waldrappe deshalb zurück zu ihnen bekannten Rastplätzen rund um den Golfplatz Domat/Ems.
Mit dem Leichtflugzeug
Der Waldrapp war in freier Wildbahn in Europa ausgerottet. In Marokko lebt beispielsweise noch eine einzelne sesshafte Kolonie. Im Sarganserland gibt es in alten Schriften Nachweise, die zeigen, dass Waldrappe vor gut 400 Jahren in der Taminaschlucht brüteten. Seit einigen Jahren läuft ein deutsch-österreichisches, von der EU mitfinanziertes Auswilderungsprojekt. Ein Projektstandort ist in Überlingen am Bodensee.
In ihrem ersten Lebensjahr werden handaufgezogene Waldrapp-Jungiere mit einem Leichtflugzeug in ihr Überwinterungsgebiet begleitet. Anschliessend sollten sie selbstständig migrieren. Allerdings brechen sie zu einem immer späteren Zeitpunkt auf. Anfänglich war es im August, jetzt kann es sogar November werden, bis die Tiere den Flug ins Winterquartier unter die Flügel nehmen.
Das mit dem Leichtflugzeug hat einen Haken, weil für die Schweiz keine Überflugbewilligung vorliegt. Via Österreich ist deshalb ein Umweg nötig. Den Rückweg finden die Tiere dann selber, häufig auf direktem Weg. Beim nächsten Flug in den Süden wird ebenfalls der direkte Weg gewählt. Und der ist dann eben manchmal zum Scheitern verurteilt. Wenn die Waldrappe wie kürzlich bei Domat/Ems und im Sarganserland hängen bleiben, müssen sie eingefangen werden. Wird es nämlich kalt und sind die Böden gefroren, ist ihre Überlebenschance gering.
Zu dem in Vilters gesichteten Waldrapp sagt Good, dass es sich wohl um ein und dasselbe Tier gehandelt habe, das tags darauf in Flums eingefangen wurde. Zum Glück sei das Waldrapp-Team, das sich auch um die in Graubünden aufgehaltenen Vögel gekümmert habe, noch in der Nähe gewesen. In Flums sei es gelungen, den jungen Waldrapp, der eine Beinverletzung aufgewiesen habe, einzufangen (siehe Video).
Geringe Überlebenschancen
Gut möglich, dass aufmerksamen Beobachtern solche Vögel in unserer Gegend des öfteren auffallen, denn die von Hand aufgezogene Kolonie bei Überlingen brütet mittlerweile wild und überfliegt auf ihrem Weg in den Süden (und wieder retour) regelmässig das Rhein- und das Seeztal. Ach ja, beim aufgefundenen Waldrapp handelte es sich um «Elton» – mit der App Animal-Tracker lassen sich die Standorte der besenderten Vögel einfach feststellen. Zurzeit weilt dieses Exemplar, nachdem man es mit dem Auto dorthin verbracht hat, im Tessin. Ganz an seinen Bestimmungsort hat er es also noch nicht geschafft.
Kommentare (0)
Schreibe einen Kommentar