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Der HC Lugano muss "lernen, wieder zu gewinnen"
Beim HC Lugano ist nach der desaströsen vergangenen Saison vieles neu. Sportchef Janick Steinmann führt Regie und wehrt sich gegen zu grosse Erwartungen.
19 Jahre liegt der letzte Meistertitel von Lugano mittlerweile zurück. Seither scheiterten 17 Trainer - Greg Ireland erhielt zweimal die Chance. Den nächsten Anlauf nimmt der Schwede Tomas Mitell. Der 44-Jährige führte Färjestad 2022 zum Meistertitel und wurde 2024 in seiner Heimat zum Trainer des Jahres gekürt. Ihm zur Seite steht Landsmann Stefan Hedlund, der die Rapperswil-Jona Lakers in der Qualifikation der National League als Headcoach zweimal sensationell in die Top 4 geführt hat.
Geholt wurden die beiden von Janick Steinmann, dem neuen Sportchef des HC Lugano. Der 38-Jährige arbeitete wie Hedlund sehr erfolgreich bei den Lakers. Als er das Amt bei Rapperswil-Jona 2019 antrat, hatten die St. Galler in der Saison zuvor abgeschlagen den letzten Platz belegt. Zwei Jahre später erreichten die Lakers die Playoff-Halbfinals.
Nicht mehr der Krösus
Nun soll Steinmann auch die Südtessiner nach einer Horrorsaison mit dem Absturz in die Abstiegs-Playoffs (4:2 gegen Ajoie) wieder in die Spur bringen. "Die Erwartungshaltung im ersten Jahr wird sicher etwas tiefer sein als in der Vergangenheit", sagt Steinmann im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. "Ein solcher Tiefschlag tut jedem Einzelnen mal gut, dann wird man rasch bodenständig. Wer das nun nicht ist, der wird es nie lernen."
Für Steinmann ist die Erwartungshaltung an das Team von aussen "zu 100 Prozent" zu hoch. "Das 'Grande-Lugano-Denken' ist nicht wegzubringen, gilt es zu akzeptieren, auch wenn es nicht mehr die Realität ist. Wir sind nicht mehr der Krösus der Liga, sondern bewegen uns budgetmässig im Mittelfeld. Es wäre unvernünftig, wenn wir als Ziel eine Platzierung in den Top 4 oder den Top 6 herausgeben würden. Nichtsdestotrotz haben wir nicht erfüllt, wenn wir die Playoffs verpassen."
Als Lugano im Januar bei Steinmann anfragte, ob er sich vorstellen könne, den Job als Sportchef zu übernehmen, war für ihn sofort klar, diesen Schritt zu machen, auch weil er das Gefühl hatte, dass er nach sechs Jahren bei den Lakers abgenutzt war. "Ich bin sehr dankbar für die Chance, die ich dort erhalten habe und mir ermöglichte, wichtige Erfahrungen zu sammeln. Lugano als erste Station (als Sportchef) hätte ich wohl nicht gemacht. Es ist eine der grössten Herausforderungen im Schweizer Eishockey. Ich verfüge nun jedoch über das nötige Werkzeug und bin überzeugt, hier etwas bewirken zu können."
Eine physische Mannschaft
Wo setzte er den Hebel an? "Bei der Teamkultur. Alle müssen verstehen, dass der Erfolg der Mannschaft wichtiger ist als der persönliche. Daran haben wir mit verschiedenen Workshops intensiv gearbeitet." Steinmann ärgert sich darüber, wenn er gefragt wird, wer der Topskorer sein wird. "Das interessiert mich überhaupt nicht", betont er. "Solange ich hier bin, werden wir teamorientiert spielen."
Dieses Credo befolgte er bei den Neuverpflichtungen. Er holte gleich fünf Ausländer, unter ihnen den Amerikaner Zach Sanford, der 2019 mit den St. Louis Blues den Stanley Cup gewonnen hat. Der Kanadier Mike Sgarbossa gewann 2023 mit den Hershey Bears die AHL-Trophäe.
"Wir sind eine physische Mannschaft", sagt Steinmann. "Wenn alle gesund sind, sollten wir über vier Linien gut ausbalanciert sein. Dann sind wir ein sehr mühsamer Gegner, der viel Druck machen und alle herausfordern kann. Wenn wir fünf, sechs Spiele mehr gewinnen als vergangene Saison, haben wir alle nicht so einen schlechten Job gemacht. Dann wären wir im Mittelfeld der Tabelle."
Den 13. Platz in der letzten Qualifikation relativiert Steinmann etwas: "Logisch sind viele Fehler passiert, aber gleichzeitig ist mit Verletzungen vieles zusammengekommen. Das führte zu einem Negativstrudel, der fast nicht mehr aufzuhalten war. Es gilt nun, ein starkes Fundament zu legen, denn so etwas wollen wir nicht noch einmal erleben."
Andere Atmosphäre im Team
Zu den Verletzten gehörte auch Calvin Thürkauf (Knie), der 15 Spiele verpasste. Der 28-jährige Center führt das Team als Captain an. Für ihn war die fehlende Konstanz während der Partien eines der Hauptprobleme der letzten Saison. "Dadurch gaben wir viele Spiele, in denen wir führten, aus den Händen", sagt Thürkauf.
Positiv stimmt ihn, dass nun aufgrund der vielen Transfers eine andere Atmosphäre in der Mannschaft herrscht. "Diese Wechsel waren nötig. Die Ausländer bringen gute Ideen und viel Erfahrung hinein." Beim neuen Trainer, den er als ruhig bezeichnet, hebt er hervor, "dass er es sofort anspricht, wenn ihm etwas nicht gefällt. Sonst kommen nachher die Probleme." Und er schenke ihnen viel Vertrauen.
Weit vorausschauen möchte Thürkauf nicht, vielmehr müssten sie einen Schritt nach dem anderen nehmen. So langweilig diese Aussage ist, genau darum geht es im Sport. "Wir dürfen nicht zu viel wollen, müssen lernen, wieder zu gewinnen", sagt Thürkauf.
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