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Der Sport und der Gaza-Krieg
Bei der WM-Qualifikation im Fussball, bei der Spanien-Rundfahrt im Radsport: Wegen des Gazakriegs wird der propalästinensische Protest auch im Sport immer grösser. Was heisst das für Israels Sportler?
Diese Aufregung hatte ausnahmsweise nichts mit Krieg, Protest oder Boykottforderungen zu tun. Israels Fussball-Nationalmannschaft verlor eines der wildesten Spiele der WM-Qualifikation 4:5 gegen Italien. In der 87. und 89. Minute holte der Aussenseiter gegen den viermaligen Weltmeister zunächst einen 2:4-Rückstand auf - um dann in der Nachspielzeit doch noch das letzte Tor dieses verrückten Abends zu kassieren.
Israels Trainer Ran Ben-Shimon war danach trotzdem stolz: "Wir haben zwar keine drei Punkte geholt", sagte er. "Aber wir haben uns das Vertrauen der Zuschauer zu Hause verdient und gezeigt, dass wir nicht zu brechen sind."
Unzerbrechlich sein - das war dann doch noch eine Anspielung darauf, was israelische Sportler in den vergangenen Wochen rund um dieses Fussballspiel, aber auch bei anderen Sport-Ereignissen erlebt haben: Aus Protest gegen den Krieg in Gaza drehten die italienischen Fans dem Spielfeld beim Erklingen der israelischen Hymne den Rücken zu und hielten "Stop"-Plakate hoch.
Keine Anzeichen für einen Ausschluss
Aus Angst vor antiisraelischen Demonstrationen verlangte der Bürgermeister von Udine, das Rückspiel am 14. Oktober in seiner Stadt zu verschieben. Italiens Trainervereinigung AIAC hatte im August sogar gefordert, Israels Nationalteam komplett von internationalen Wettbewerben zu suspendieren. Hintergrund dafür ist auch der Unmut über den von Israels Regierung geplanten Militäreinsatz zur Einnahme der Stadt Gaza, in der die Zivilbevölkerung laut Hilfsorganisationen schon jetzt in einer katastrophalen Lage ist.
Für einen Ausschluss Israels gibt es im internationalen Sport noch keinerlei Anzeichen. Doch die propalästinensischen Proteste bei immer mehr Sport-Ereignissen zielen in letzter Konsequenz auf etwas ganz Ähnliches ab: einen "De-facto-Boykott des israelischen Sports", wie es die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" beschrieb.
Dass israelische Athleten aus Sicherheitsgründen nicht mehr antreten können. Oder dass israelische Fussballer aus Angst vor Fan-Protesten nicht mehr verpflichtet werden. Besonders gut zu beobachten war dies in der vergangenen Woche bei der Spanien-Rundfahrt im Radsport.
Kein Rückzug des Teams
Erst brach die Jury die 11. Etappe der Vuelta kurz vor dem Ende ab, weil Demonstranten im Zielbereich die Sicherheit der Fahrer gefährdet hätten. Danach berichtete der Sportdirektor des Rennstalls Israel-Premier Tech von Morddrohungen gegen sein Team. Was hinter den Kulissen passiert sein soll, beschrieb der kanadisch-israelische Teambesitzer Sylvan Adams zwei Tage nach dem Eklat.
Demnach habe ihn der Chef des Vuelta-Organisators "Unipublic" gebeten, das israelische Team von der Rundfahrt zurückzuziehen. "Aber ich habe ihm mitgeteilt, dass ich das nicht tun werde", sagte Adams. "Wenn wir aufgeben, ist das nicht nur das Ende unseres Teams, sondern auch von allen anderen Teams." Dann werde morgen jemand "gegen Teams aus Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder gegen Astana demonstrieren".
Der Protest gegen israelische Sportler wird jedenfalls immer grösser und vielfältiger. Im August gab es im kanadischen Halifax eine Demonstration gegen die Austragung des Tennis-Davis-Cup-Matches zwischen Kanada und Israel an diesem Wochenende.
Proteste gegen Israels Stürmerstar
Und als der wohl bekannteste israelische Fussballer Manor Solomon am letzten Tag der Transferfrist von Tottenham Hotspur zum FC Villarreal wechselte, kommentierte das eine Fanvereinigung des spanischen Klubs mit den Worten: "Manor Solomon ist nicht willkommen in Villarreal und verdient nicht die Zuneigung seiner Fans."
Mehrfach hat der 26-jährige Offensivspieler in den sozialen Netzwerken die israelische Armee unterstützt und auch eine islamistische Terrororganisation für den verheerenden Raketentreffer auf das Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza verantwortlich gemacht. Aber anders als sein Nationalmannschafts-Kollege Shon Weissman hat Solomon keine Internet-Kommentare gelikt, die die Auslöschung des gesamten Gazastreifens fordern.
Idee in Norwegen
"Wir sind in einer komplizierten Situation", hatte Israels Trainer Ben-Shimon schon einen Tag vor dem Spiel gegen Italien gesagt. Und allen propalästinensischen Protesten entgegnet: "Ich schaue nicht auf die Leute, die vor mir diese Meinungen äussern. Ich schaue, wer hinter mir steht - und das ist unser Volk."
Israels nächster Gegner in der WM-Qualifikation ist der Tabellenführer Norwegen. Und die norwegische Verbandspräsidentin Lise Klaveness hatte bereits zwei Monate vor dem Spiel am 11. Oktober in Oslo eine Idee. Nein, man werde das Spiel gegen Israel nicht boykottieren. Aber die Einnahmen daraus an eine Hilfsorganisation spenden, die sich in Gaza engagiert.
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