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Winterthurs Cueni fiebert mit den "Blauhaien" mit
Stéphane Cueni strebt am Sonntag den ersten Meisterschaftssieg mit Winterthur an. Danach fiebert er mit dem kapverdischen Nationalteam mit, das vor einem historischen Triumph steht.
Stéphane Cueni ist einer, der in der Super League etwas unter dem allgemeinen Radar fliegt. Der 24-Jährige ist im zentralen Mittelfeld eher defensiv ausgerichtet und so seltener in die Aktionen verwickelt, die Aufsehen erregen. Hinzu kommt, dass er beim aktuellen Schlusslicht Winterthur um jede Einsatzminute kämpfen muss. In dieser Saison stand er dreimal in der Startaufstellung. Dreimal wurde er eingewechselt, einmal musste er von der Ersatzbank zusehen.
Sein relativ ruhiges Fussballer-Leben wurde in den letzten Wochen aber etwas turbulenter. Immer wieder kamen Freunde und Mitspieler des FCW auf ihn zu und sah er sich gezwungen, ihre Freude etwas zu dämpfen. "Chill, chill", entgegnete er jeweils, wenn sie ihn darauf ansprachen, dass er im nächsten Jahr an der WM in Nordamerika dabei sein könnte. Denn er weiss, dass er diesbezüglich nur eine Zehenspitze in der Tür hat. Dennoch lässt auch er sich ab und zu von der Euphorie mitreissen, die derzeit rund um das kapverdische Nationalteam herrscht.
Grosse Hoffnung im kleinen Inselstaat
Bloss etwas mehr als 500'000 Menschen leben auf dem Insel-Verbund vor der Westküste Afrikas. Nur die Seychellen sowie São Tomé und Príncipe, ebenfalls Inselstaaten, haben auf dem 54 Länder umfassenden afrikanischen Kontinent noch weniger Einwohner als Kap Verde. Entsprechend gross ist die Sensation, die sich schon länger anbahnte und vor einem Monat eine noch festere Form angenommen hat. Kap Verde besiegte den achtfachen WM-Teilnehmer Kamerun 1:0 und hat nun vier Punkte Vorsprung. Damit reicht den "Tubarões Azuis", den Blauhaien, in den letzten beiden Runden im Oktober ein Sieg, um sich aus eigener Kraft erstmals für eine WM zu qualifizieren.
Und Cueni wird am 8. Oktober beim Auswärtsspiel gegen Libyen sowie am 13. Oktober beim Heimspiel gegen Eswatini mitfiebern. Denn seit seinem unverhofften Debüt Ende Mai darf er sich definitiv zum erweiterten Kader des Nationalteams zählen.
Kuala Lumpur statt Las Vegas
Das erstmalige Aufgebot kam für Cueni, dessen Eltern aus Kap Verde stammen, überraschend. Er hatte im Frühling bereits Ferien gebucht, wollte nach Saisonende mit einem ehemaligen Teamkollegen das Glück in Las Vegas herausfordern. Dann kam der Anruf, der die Pläne über den Haufen warf. Am anderen Ende der Leitung war ein Vertreter der kapverdischen Nationalmannschaft, der erklärte, dass das Team Ende Mai zwei Testspiele in Malaysia bestreiten werde - ein offizielles und eines unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Mittelfeldspieler wurde eingeladen, sich zu beweisen.
Den Nationenwechsel hatte der ehemalige Schweizer Junioren-Internationale, der in Lausanne geboren und aufgewachsen ist, schon ein Jahr zuvor mit dem kapverdischen Verband besprochen. Da hatte es aber geheissen, dass es eine Weile dauern könne, bis der Prozess abgeschlossen sei. Deshalb fokussierte sich Cueni auf die Aufgaben im Klub und verschwendete kaum Gedanken an mögliche Länderspiele. Dann aber war es plötzlich soweit: Am 29. Mai wurde Cueni im schmucken Kuala Lumpur Stadium zur Pause eingewechselt, die Partie gegen Malaysia endete 1:1 unentschieden.
Warten auf die nächste Chance
Cueni zuckt mit den Schultern auf die Frage, wie es weitergeht. "Ich habe in Malaysia alles gegeben, war zufrieden mit meiner Leistung." Ihm ist aber auch bewusst, dass in einem Team, das gerade einen Lauf hat, wenig Anlass für Wechsel besteht. Deshalb gelte für ihn dasselbe wie für seine Freunde: "Chill, chill." Er fokussiere sich auf seine Leistungen im Klub und hoffe, so wieder eine Chance auf internationaler Ebene zu erhalten.
Man merkt es Cueni an: Er ist besonnen, ein Realist. Nachdem sich seine bisherige Karriere mehrheitlich in der Challenge League (Stade Lausanne-Ouchy und Wil) abgespielt hat, jagt er nicht WM-Träumen hinterher. Für ihn hat Priorität, sich in der höchsten Schweizer Liga zu etablieren. In Winterthur, wo er seit Januar spielt, wird er vor allem auch neben dem Platz geschätzt. Durch seine Mehrsprachigkeit bildet er ein wichtiges Bindeglied im Team, das inzwischen zu einem grossen Teil aus französischsprachigen Spielern besteht.
Noch warten die von Trainer Uli Forte angeführten Winterthurer auf den ersten Meisterschaftssieg. Dazu bietet sich am Sonntag im Heimspiel gegen Lugano die nächste Chance. Und Cueni will das Seinige dazu beitragen, ehe er sich wieder den möglicherweise geschichtsträchtigen Blauhaien widmet.
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